Debatte: Gesellschaft in Zeiten globaler Flüchtlingsbewegung

von Alec Pein


Canan Topçu, Claire Deery, Prof. em. Dr. Tilman Borsche und Julia Willie Hamburg im Ratsgymnasium. Foto: Alec Pein
Canan Topçu, Claire Deery, Prof. em. Dr. Tilman Borsche und Julia Willie Hamburg im Ratsgymnasium. Foto: Alec Pein



Die bundesweiter Debattenreihe „Welches Land wollen wir sein?“ machte am Mittwochabend Halt in Goslar. Zu Gast: Philosoph Tilman Borsche, Rechtsanwältin Claire Deery und Landtagsabgeordnete Julia Willie Hamburg (Bündnis90/Die Grünen). In der Aula des Ratsgymnasiums kamen rund 80 Interessierte zusammen um die Frage, ob man eine exklusive oder eine offene Gesellschaft sein wolle mit zu diskutieren. 

„Bei Diskussionen um Mensapläne in Flüchtlingsunterkünften geht oft das große Ganze unter“, leitete Initiatorin der Veranstaltung in Goslar, Theresa Beilschmidt, ein. Sie freue sich vor allem über Fragen, gute Antworten sowie gute Begegnung. Damit war auch das Leitmotiv des Abends geklärt: Es sollte um den Dialog gehen – mit den anwesenden Fachleuten sowie untereinander. Die Journalistin Canan Topcu moderierte den vom St. Jakobushaus veranstalteten Abend und gab vorerst den Podiumsgästen je fünf Minuten sich zu den Fragen „Welches Land wollen wir sein? Eine offene, geleitet von Freiheits- und Menschenrechtsidealen? Oder eine exklusive, die ihre Identität vor gefühlten äußeren Bedrohungen sicher?“ zu äußern.

In welchem Land will ich Leben?


Grünen-Abgeordnete Julia Willie Hamburg stellte die Frage für sich persönlich und formulierte als Antwort eine ganze Liste, später von Borsche als „netter Wunschzettel“ betitelt, von Dingen, die für ein Land in dem sie Leben wolle nötig seien. Für die bessere Gesellschaft müsse zum Beispiel Rassismus besser reflektiert werden können, Akzeptanz dafür bestehen, dass es keine „totale Sicherheit“ geben werde oder Moslems nicht unter Generalverdacht gestellt werden. Kurz: Eine Gesellschaft die Freiheit und Solidarität nach vorne stelle und diese auch lebe.

Auch die Offene Gesellschaft hat Grenzen!




Der Philosoph und ehemals als Professor tätige Dr. Tilman Borsch würde da „anders rangehen“ und findet die Fragestellung sei etwas „schwierig“ formuliert. Eine offene, vielfältige Gesellschaft sei man bereits – die Frage sei also eher, wo die Grenze dieser Offenheit liege. Denn diese habe jede Gesellschaft, beziehungsweise jeder Staat. Wichtig sei bei aller Offenheit vor allem demokratische Rechte zu wahren. Der Schlüssel liege nicht im "entweder oder" zwischen offener oder exklusiver Gesellschaft, sonder eben in der Balance dazwischen. Bei den Stichworten „Gewaltenteilung“ und „Gewaltmonopol“ stelle sich ihm zum Beispiel die Frage wer überhaupt entscheide welche Gruppierungen als terroristische Organisationen eingestuft werden. Außerdem seien Gesetzesänderungen versäumt worden, was besonders im Hinblick auch die Erfahrungen die das Land im Bezug auf Flüchtlinge und Migration bereits hat fragwürdig sei.

Asylpakete tragen nicht zu Offenheit der Gesellschaft bei!


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Rund 80 Teilnehmer kamen zur Debatte in die Aula des Ratsgymnasiums. Foto:



Mit den abschließenden Worten „Gesetz“ und „Änderung“ erleichterte Borsch Moderatorin Tupce die Überleitung zu Claire Deery: Diese ist in ihrer Arbeit als Rechtsanwältin auf Asylrecht und Migrationsrecht spezialisiert, sowie Teil der Arbeitsgemeinschaft für Ausländer- und Asylrecht des Deutschen Anwaltsvereins, die oft eine beratende Position auf politischer Ebene einnimmt. Ihrer Auffassung nach trage weder das erste, noch das zweite Asylpaket zu einer offeneren Gesellschaft bei, sondern verkomplizierten die einfachsten Dinge - auch weil viele Umstände von den Verantwortlichen nicht beachtet worden seien. Nun begrüße sie in ihrem Wartezimmer besonders viele Afghanen: Obwohl die meisten ein Bleiberecht hätten, schienen sie im Asylpaket I schlicht übersehen worden zu sein und bekämen unter anderem keine Deutsch- und Integrationskurse zugewiesen. Dort sei nämlich festgelegt, dass Flüchtlinge mit Bleiberecht schon während der Asylverfahren mit entsprechenden Kursen und Arbeitsförderungsmaßnahmen beginnen können.

Das anwesende Publikum bewies im anschließenden Dialog seine Offenheit: Viele der Gäste trauten sich ihre Fragen zu stellen und Stellungnahmen zu äußern, welche von den Podiumsgästen sowie untereinander scheinbar konstruktiv besprochen werden konnten.


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