Energiewende: Otto Schily hält Vortrag in Clausthal


Die hochkarätigen Professoren und Studenten unter den Zuhörern im voll besetzten Versammlungssaaal der TU staunten nicht schlecht, als der 85-jährige ehemalige Kernkraftgegner das Massensterben von Zugvögeln und Fledermäusen durch die rasante Zunahme von Windkrafträdern zum Anlass nahm, um eine scharfe Energiewende der Bundesregierung zu fordern. Symbolfoto: Tobias Steidle
Die hochkarätigen Professoren und Studenten unter den Zuhörern im voll besetzten Versammlungssaaal der TU staunten nicht schlecht, als der 85-jährige ehemalige Kernkraftgegner das Massensterben von Zugvögeln und Fledermäusen durch die rasante Zunahme von Windkrafträdern zum Anlass nahm, um eine scharfe Energiewende der Bundesregierung zu fordern. Symbolfoto: Tobias Steidle

Clausthal-Zellerfeld. Der ehemalige Bundesinnenminister Dr. Otto Schily hielt am vergangenen Mittwoch in der Aula Academica der TU Clausthal einen Vortrag über Effizienz in der Energiebereitstellung. Auf Einladung von ESG Pfarrer Dr. Heiner Wajemann referierte Dr. Otto Schily zur Energiewende, berichtet Schriftstellerin Barbara Ehrt.


Schily, Dr. ehrenhalber, im anthroposophischen Anti-Atomkraft-Elternhaus aufgewachsen, Anwalt der RAF-Mitglieder Mahler und Ensslin, Mitbegründer der Grünen-Partei, ehemaliger SPD-Bundesinnenminister, referierte über eine Energiewende mit überraschender Wendung: er warb für den Dual Fluid Reaktor, einer neuartigen Generation von Kernreaktoren zur Erzeugung von angeblich fast sauberer Energie. Die hochkarätigen Professoren und Studenten unter den Zuhörern im voll besetzten Versammlungssaaal der TU staunten nicht schlecht, als der 85jährige ehemalige Kernkraftgegner das Massensterben von Zugvögeln und Fledermäusen durch die rasante Zunahme von Windkrafträdern zum Anlass nahm, um eine scharfe Energiewende der Bundesregierung zu fordern.

Fast saubere Kernenergie?


Die rasch wachsenden Windparks hätten eine neue Art von Profiteuren hervorgebracht: Grundbesitzer von an sich wertlosem Land erhielten satte Profite aus den Abrechnungen der Windpark-Stromkunden allein für das zur Verfügung gestellte Grundstück. Außerdem führten Windparks zu Unbewohnbarkeit und Verschandelung von Kulturlandschaften, beruhten auf einer zu großen wetterbedingten Abhängigkeit und zeigten nicht zuletzt wegen der problematischen Entsorgbarkeit der verwendeten Baustoffe ein großes Minus. Auch die weltweit betriebene Mono-Feldwirtschaft für Bio-Kraftstoffe in gigantischem Ausmaß, die zu Urwaldrodungen und Artensterben führt, fand bei Schily keine Gnade und selbst die Solarenergie kritisierte er heftig wegen ihres Flächenhungers und ihrer Wetterabhängigkeit.

Dann kam er zum Punkt:


Dann kam er zum Punkt: Im Institut für Festkörper_Kernphysik in Berlin sei es ein paar der übrig gebliebenen Kernphysikern (die Nachfrage nach diesem Berufszweig ist mit der abnehmenden Anzahl von Reaktoren gesunken) gelungen, ein Patent für sauberen Atomstrom zu erarbeitet. Auf nur fußbalfeldgroßer Fläche sei es möglich, Kernkraftreaktoren zu betreiben, bei denen das Risiko wie z.B. Überhitzung nicht mehr eintreten kann. Auch würde der DFR keine nennenswerten Mengen an geologisch endzulagernden Abfällen produzieren und nach 3 Jahrhunderten gälte alles als abgeklungen. Übrigens sei dies keine besondere Eigenschaft des DFR, es gibt andere Konzepte mit ähnlichem Abfallfluss, die Besonderheit des DFR ist hier seine Wirtschaftlichkeit und Produktivität, die sogar konventionelle Kraftwerken übertrifft.

Trotz dieser Vorteile würde das Konzept schon deshalb fast überall auf taube Ohren stoßen, weil die bloße Erwähnung von Kernenergie bei den Verbrauchern Ängste und bei den Betreibern ein schlechtes Gewissen auslöst. Die großen Energiekonzerne wollen mit dem Thema Atom-Reaktoren nicht in Verbindung gebracht werden und die Regierung hält an ihrem einmal eingeschlagenen „grünen“ Kurs fest. Die Möglichkeiten einer verbesserten Kernenergie würden negiert, obwohl, so Schily, die von Windkraft und Solarstrom jährlich verschlungenen Steuerzahler-Milliarden in keinem Verhältnis zu ihrer "Energie-Ernte" stünden. Mit ihrer Weigerung, die Energie-Frage neu zu überdenken, würde die Regierung die Weiterentwicklung der Dual Fluid Reaktor ausbremsen. Denn um überhaupt in die Testphase gehen zu können, müssten von irgendwoher die finanziellen Mittel bereit gestellt werden, nur mit einer getesteten Inbetriebnahme kann beurteilt werden, ob das Konzept wirklich funktioniert oder auch nicht.

Andere Länder reagieren


Das japanische Patentamt hatte zwar kürzlich den Patentantrag genehmigt und der DFR ist nun nach Russland und Europa auch in Japan patentiert, an Herstellung denkt dort aber bisher niemand, auch in Kanada ist ähnliches geplant. Den meisten Bürgern Deutschlands dürfte der Name DFR unbekannt sein, der nach Tschernobyl und Fukoshima eingeschlagene Kurs macht es schwer, der Reaktorforschung eine Zukunft zu geben. Inzwischen weiß man jedoch, dass auch erneuerbare Energien mit sehr großen Risiken verbunden sind und es stellt sich die Frage, ob in Deutschland gerade eine wichtige Entwicklung verschlafen wird, obwohl das Institut für Festkörper-Kernphysik (www.festkoerper-kernphysik.de) keinen Steinwurf vom Reichstag entfernt ist?


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