Julian Charriére sucht das Erbe unseres Zeitalters

von Alec Pein


Die Ausstellung des Kaiserringstipendiaten Julian Charrieré ist ab Sonntag im Mönchehaus Museum zu sehen. Foto: Alec Pein
Die Ausstellung des Kaiserringstipendiaten Julian Charrieré ist ab Sonntag im Mönchehaus Museum zu sehen. Foto: Alec Pein | Foto: Alec Pein

Goslar. Als Entdecker begibt sich Julian Charriére auf Reisen und sucht dabei vor allem Zeugnisse des menschlichen Einwirkens auf die Natur. Plastisch führen seine Werke vor Augen, in welchem


"Seine multimedialen Arbeiten verbinden bildende Kunst mit Wissenschaft, Land-Art mit Archäologie, Romantik mit Sciene-Fiction.", kündigt das Mönchehaus Museum einen der jüngsten Kaiserringstipendiaten an. Der 28-jährige Schweizer Künstler Julian Charrière bereist Länder als in einer Entdeckerrolle. Er sucht und findet dabei Zeugnisse des Wirkens der Menschen auf die Welt und ihre Natur. Seine Werke halten dabei fest, was nach einem Ende der Menschheit übrig bleiben könnte. Allerdings ließ Charriére auch schon graue Stadttauben bunt erleuchten, um die Anonymität der grauen Vögel zu durchbrechen, sie als Nachbarn zu identifizieren. Auch kletterte er auf einen Isländischen Eisberg und versuchte diesen mit einem Propangasbrenner zum schmelzen zu bringen, um geologische und menschliche Zeitvorstellung gegenüberzustellen.

Die Ausstellung des derzeit in Berlin lebenden Kaiserringstipendiaten wird am Sonntag eröffnet und zeigt drei Serien. Vorab führte der Künstler am Freitag die Presse durch die bis dahin noch nicht ganz fertig eingerichtete Ausstellung. Im Mönchehaus Museum sind die Wände auf Wunsch des Künstlers grau gestrichen. Ein dunkler Teppich wurde auf dem Boden verlegt und die Fenster verhangen. Es herrscht eine düstere Atmosphäre.

Fotografien nuklear verseuchter Erde



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Julian Charriéres "Polygon". Foto: Alec Pein



Charriére hat eine Etage der zweistöckigen Ausstellung seiner Reise zu dem Atomwaffentestgebiet Semipalatinsk in Kasachstan gewidmet. Auf dem stark verseuchten Gebiet hielt er in analogen schwarz-weiss Fotografien die "Monumente des Atomzeitalters", wie er sie nennt, fest. Gleichzeitig fertigte er während nur während 45-minütiger Aufenthalte an drei Tagen eine Videoarbeit an. Länger habe er wegen möglicher gesundheitlicher Folgeschäden nicht bleiben dürfen. Mitgebracht hat er Bilder von Betontürmen, die aus einer kargen Landschaft ragen. Charriére selbst findet, sie ähneln Tempelanlagen. Gereizt habe ihn, neben dem Erlebnis zum "Beginn" des jüngsten prägenden Zeitalters zu reisen, die Architektur dieser Bauten, deren einzige Aufgabe es war, auch die größte Katastrophe zu überstehen. Und sie werden wohl noch Generationen überdauern. Die Klänge der Videoarbeit "Somewhere" bilden das Klicken des Countdown-Zählers von 1949 sowie das Rauschen der heutigen Landschaft selbst. Aus dieser, so Charriére, hat sich der Mensch nun selbst ausgeschlossen. Daneben zeigen drei Fotografien besagte Betontürme. Was die Landschaft heute tragischerweise ausmacht, nämlich die weit gestreute Radioaktivität, sollte im späteren Werk sichtbar werden, erklärt Charriére: Seine radioaktiven Bodenproben ließ er sich durch die Fotografien der Serie "Polygon" fressen.


Kunst, Wissenschaft und Minen-Fetisch



Nach eigenen Angaben besucht der in der französischen Schweiz geborene Künstler gerne und oft Mienen in den Ländern, die er bereist. Scherzhaft bezeichnete er es als einen gewissen "Minen-Fetisch". Bei einem seiner Minen-Besuche habe er die Idee zu dem Projekt gehabt, von dem ab Sonntag im oberen Stockwerk seiner Ausstellung ein Teil zu sehen sein wird: Es sind gewissermaßen Andenken seiner Jagd nach technologischen Fossilien. Er selbst bezeichnet sich auch als "Zukunftsarchäologe". Immer interessiert ihn in seinem Schaffen das Wirken des Menschen auf die Natur. Aus den in Duisburg aus Elektroschrott gepressten Klumpen, könne man sicher ein Mac Book herstellen, erklärt er. Dahinter stecke der Gedanke einer modernen Alchemie, denn: Aus "Stein" wird "iPhone" und damit Kommunikation über Entfernungen hinweg - was auch irgendwie ein bisschen Zauberei sei. Mit den aus seinem Werken entstehenden Fragen liegt er am Puls der Zeit, betont selbst aber, er sei kein Umweltaktivist. Vielmehr habe er dokumentarische Ambitionen. Dabei lässt er sich auch gerne mit der Arbeit von Entdeckern und Wissenschaftlern vergleichen, allerdings nicht derart spezialisiert wie in heute in Forschungsbereichen gearbeitet wird. Als Künstler könne man das Ganze sehen, ohne es wissenschaftlich genau einordnen zu müssen.


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