"Wie Zuhause" - über die Sterbebegleitung im Hospiz

von Alec Pein


Schwester Simone und die stellvertretende Hospizleiterin Christine Wittwer sprechen über ihre Arbeit im Hospiz. Foto: Alec Pein
Schwester Simone und die stellvertretende Hospizleiterin Christine Wittwer sprechen über ihre Arbeit im Hospiz. Foto: Alec Pein | Foto: Alec Pein

Goslar. Am heutigen Freitag ist nationaler Hospiztag. Christine Wittwer und Simone Alberti sprachen am Donnerstag mit regionalHeute.de über ihre Arbeit im Goslarer Hospiz, dem Christopherus Haus.


Am Donnerstagmorgen brannte die Kerze im Eingangsbereich des Chistopherushauses. In der Nacht zuvor ist einer der Gäste des Hauses aus dem Leben gegangen. Die Kerze brennt, solange die verstorbene Person im Haus ist. Einige Stunden später sollten die Angehörigen im Zentrum des Hauses am offenen Sarg Abschied nehmen.

Wie Zuhause


Das Christopherus-Haus ist ein achteckiger Bau mit zwei Etagen. Vom Zentrum des Gebäudes im Erdgeschoss sind die drei Gästezimmer zugänglich. Gäste werden die Personen genannt, die zum sterben in das Haus kommen, erklärt Christine Wittwer. Ungern würde sie die Menschen als "Bewohner" bezeichnen. "Der Gast ist König", sagt sie. "Wie Zuhause" sollen sich die Sterbenden sowie die Angehörigen im Haus fühlen. Und dementsprechend erfolgt die Behandlung der Gäste: Im Hospiz gibt es keinen geregelten Tagesablauf, vielmehr richten sich die Sterbebegleiter nach den Wünschen der Gäste. "Wir haben Zeit", betonen Christine Wittwer und Simone Alberti. Im Haus fühle es sich sogar oft an, als wäre die Zeit stehen geblieben. Angehörige dürfen jederzeit kommen und das Gespräch suchen.

Freude und Trauer


Bei aller Ernsthaftigkeit, wenn es um den Abschied eines geliebten Menschen geht, kann der Gegenpol, die Freude und das Lachen, etwas erlösendes haben. So wird beim Abschied auch gerne mit einem Schmunzeln über das Leben und die Erlebnisse des Verstorbenen geredet und gelacht, schildert Christine Wittwer ihre Erfahrungen aus über 13 Jahren Hospiz-Erfahrung. Nach mehrjähriger ehrenamtlicher Tätigkeit entschied sie Hauptamtlich im Haus zu arbeiten.

Sprechen über das Leben


Vermuten könnte man, so Wittwer, dass in einem Hospiz am meisten über den Tod gesprochen werde. Vielmehr sei aber das Leben überwiegender Inhalt der Gespräche mit den Gästen. Zum Leben gehören auch Ausrutscher. Gerne erinnert sich Wittwer an einen Fauxpas, der ihr selbst am Bett eines Gastes passierte: Ein Gitter habe sie am Bett, in dem der auf den Tod wartende Herr lag, befestigen wollen. Es rutschte ihr aus der Hand und landete unter großem Getöse. Der im Bett liegende Gast kontert den Krach schlagfertig: "Da wachen ja sogar die Toten auf"

Sterben im Kreis der Familie


Das Hospiz selbst bildet einen wichtigen Bestandteil des 1981 gegründeten und damit Deutschland ältesten Hospizvereins. Seit der Eröffnung im Jahr 2002 haben Menschen auch in Goslar dort die Möglichkeit ihre letzten Tage unter professioneller Begleitung zu verbringen, wenn das andernorts für sie nicht möglich ist. Ein großes Anliegen ist dem Verein aber, die Sterbebegleitung in die Familien "zurückzuholen", erklärt Christine Wittwer. Am besten sei es, wenn die Betroffenen "so lange es geht Zuhause bleiben". Allerdings sei das aus verschiedensten Gründen nicht möglich, etwa wenn Angehörige nicht 24 Stunden da sein könnten. Oder der psychischen Belastung nicht Stand halten. Je nach Situation könnten Menschen dann stationär im Christopherushaus aufgenommen werden.

Helfer mit Herz


Der Verein bietet neben der Betreuung im Haus, auch Betreuungen in Altenheimen oder Zuhause an und sieht sich deshalb als überwiegend ambulanter Hospizdienst. Rund 30 Ehrenamtliche sind bei dem Verein tätig. 20 davon in der Sterbebegleitung, einige weitere helfen bei der Pflege des Gartens, bei Büro- und Hauswirtschaftstätigkeiten. Der kostenlose Aufenthalt im Hospiz sowie die Personalkosten werden durch Spenden und Mitgliederbeiträge getragen.

"Manche bleiben"


Simone Alberti ist gelernte Krankenschwester und seit nunmehr vier Jahren im Christopherushaus tätig. Wie auch andere Hospizhelfer hat sie zuerst den einjährigen Hospiz-Vorbereitungskurs absolviert. Dort, erklärt Christine Wittwer, setzt man sich in 100 theoretischen Stunden intensiv mit dem Tod auseinander. Wichtiger Bestandteil sei für sie die Selbsterfahrung und die persönliche Verarbeitung von Tod, Abschied und Trauer. Leicht ist das nicht. Die meisten Gäste leiden an Krebserkrankungen. Der jüngste war 27. An ihn erinnern sich Alberti und Wittwer mit genauem Datum. Letztes Jahr im November ist er im Christopherushaus gestorben. "Manche bleiben", sagt Alberti. Zum Feierabend müsste man sich in Gedanken manchmal "selbst auf die Füße treten", weil man die Gäste "mitnimmt". "Es ist wichtig mit dem Tod umzugehen", findet Alberti aber. Ein bewussteres Leben und die Frage, ob es einige Dinge, die im Leben passieren überhaupt wert sind, sich darüber aufzuregen, seien die Folge. Und kommen wird der Tod ohnehin.

Spenden und Helfer immer gesucht


Auch wenn die Zahl der finanziellen Unterstützer im Landkreis Goslar, etwa von Unternehmen, Stiftungen oder privaten Spendern, schon groß ist, könnte es mehr sein. "Gerade so" käme der Hospizverein über die Runden. Für anfallende Reparaturen oder andere unvorhergesehene Kosten müssen erst Spender gefunden werden.

Im Betreuungsteam des Hospizvereins sind ausschließlich Frauen tätig. Alberti und Wittwer würden sich freuen auch mal einen Mann überzeugen zu können, die Hospizhelfer-Seminare zu besuchen. Mehr Information über das Goslarer Hospiz, die Angebote des Hospizvereins, aber auch über die Ausbildung zum Hospizhelfer gibt es auf der Webseite des Goslarer Hospiz.


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