Offizierscasino: Geschichtsverein nimmt kritisch Stellung zum Abriss


Der Abriss des alten Offizierscasinos hat begonnen. Foto: Kristina Weidelhofer/Klosterkammer Hannover
Der Abriss des alten Offizierscasinos hat begonnen. Foto: Kristina Weidelhofer/Klosterkammer Hannover | Foto: Kristina Weidelhofer/Klosterkammer Hannover

Goslar. Der Geschichtsverein nimmt Stellung zum Abriss des Offizierscasinos auf dem Fliegerhorst Goslar. Der Denkmalschutz scheitere aus an der Interessenverquickung von Klosterkammer, dem Landesamt für Denkmalpflege, Ministerium für Wissenschaft und Kultur sowie der Stadt.


Wir veröffentlichen die Stellungnahme hier ungekürzt und unkommentiert:
Es ist unverständlich und bitter: Die Bemühungen zur Erhaltung des Offizierscasinos auf dem Fliegerhorst Goslar sind an einer Interessenverquickung von Klosterkammer Hannover, Niedersächsischem Landesamt für Denkmalpflege, Ministerium für Wissenschaft und Kultur als Aufsichtsbehörde und der Stadt Goslar gescheitert. Was für Jedermann gilt, gilt nicht für die Klosterkammer, die sich unter dem Motto „Werte bewahren – Identität stiften“ einen Freifahrtschein zum Abriss von Kulturdenkmalen erteilt hat.
Das Institut für Denkmalpflege hat in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 6. Januar 1994 die Denkmaleigenschaft des ehemaligen Fliegerhorstes in Goslar wegen seiner national- und ortsgeschichtlichen Bedeutung, seiner städtebaulichen Zuordnung und Differenzierung sowie der mustergültigen Erhaltung des gesamten Gebäudebestandes festgestellt. Für das besonders repräsentative Offizierscasino wird darüber hinaus wegen dessen reicher und weitgehend erhaltener Ausstattung die Eigenschaft als Einzeldenkmal festgestellt.
Das Niedersächsisches Denkmalschutzgesetz bestimmt, dass Kulturdenkmale instandzuhalten, zu pflegen, vor Gefährdung zu schützen und, wenn nötig, instandzusetzen sind. Sie dürfen nicht zerstört, gefährdet oder so verändert oder von ihrem Platz entfernt werden, dass ihr Denkmalwert beeinträchtigt wird. Die Ausnahmen der Unwirtschaftlichkeit greifen im vorliegenden Fall nicht. Damit war und ist klar, dass das Offizierskasino zu erhalten ist. Doch diese Bestimmungen werden für den Abbruch des Casinos außer Kraft gesetzt.
Das Bündnis zur Erhaltung des Offizierscasinos ist von rechtsstaatlichem Handeln aller Beteiligten, vom Gleichbehandlungsgrundsatz und der bisher geübten Praxis der Rechtsanwendung durch die Denkmalbehörden ausgegangen. Diese Annahme war falsch. Wo kein Wille und keine Empathie für geschichtliche Werte vorhanden sind, und wo vorab Absprachen auf politischer Ebene erfolgen, stößt Bürgerengagement auf Wände – es sei
denn, spektakuläre, aufmerksamkeitserregende Aktionen am Rande oder jenseits der Legalität sorgen für besonderes Aufsehen. Diesen Weg lehnten wir jedoch bewusst ab.
Das Bündnis hat sich davon in die Irre führen lassen, dass eine Stiftung, die sich den Erhalt von Denkmalen zum Ziel gesetzt hat und anderenorts hervorragende Leistungen der Denkmalpflege nachweisen kann, aus merkantilem Interesse das Denkmalrecht in ihrem Sinne ausnutzt. Ihr guter Ruf macht es Kritikern nicht leicht, mit Kritik am hier gezeigten Verhalten auf offene Ohren zu stoßen.
Der Ausgang der angestrengten Petition kam unerwartet. Der Abwägungsspielraum wurde seitens des zuständigen Ministeriums in Absprache mit der Klosterkammer weitgehend ausgenutzt. Zwar wäre aus denkmalpflegerischer Sicht „der Erhalt aller Bestandteile des ehemaligen Fliegerhorstes Goslar sicherlich wünschenswert, wenn eine Nutzung gefunden würde, die den dauerhaften Unterhalt der Gebäude und Anlagen sicherstellte“ (Stellungnahme des Ministeriums zur Eingabe des Geschichtsvereins) – ernsthaft überprüft wurde das angeblich fehlende Nutzungsinteresse ebenso wenig wie die von der Klosterkammer behauptete Unwirtschaftlichkeit des intakten Gebäudes. Damit hat die Denkmalpflege Rechtspositionen und fachliche Ansprüche aufgegeben und sich auf Scheinargumente eingelassen. Wir stellen einen Paradigmenwechsel der Denkmalpflege fest. Die Präzedenzwirkung auf echte Problemfälle, wie das Odeontheater, ist absehbar.
Die Interessenverquickung und die Vernetzung der Abrissbefürworter wurde unterschätzt, die erwartete Diskussionskultur überschätzt. Mehr investigativer Journalismus wäre wünschenswert gewesen genauso wie die Bereitschaft der Kommunalpolitik, auf eine Vielzahl von Leserbriefen und mehr als 1.5oo Unterschriften argumentativ zu reagieren. Auch beim Niedersächsischen Heimatbund und beim Deutschen Nationalkomitee für Denkmalschutz fand die Kritik an der Zerstörung eines Einzeldenkmals keine Unterstützung.
Eine Verbesserung der Versorgung mit sozialer Infrastruktur im schlecht versorgten Goslarer Stadtteil Jürgenohl durch Umnutzung des Casinos wäre realistisch und aufgrund neuer Fördertöpfe auch realisierbar gewesen. Darüberhinaus hätte – konstruktive und zielführende Investorensuche vorausgesetzt – ein noch andauernder Leerstand des intakten Gebäudes doch noch mögliche Alternativen eröffnet.
Die fragwürdige Handhabung von amtlicher Denkmalpflege und Kommunalpolitik und das Scheitern ehrenamtlichen Engagements bedürfen keiner beschönigenden Worte. Wir lassen uns dennoch nicht entmutigen. Wegen der befürchteten Präzedenzwirkung werden wir die Konversion des ehemaligen Fliegerhorstes weiterhin kritisch und konstruktiv begleiten. Die behauptete Umnutzung der erhaltenen Denkmale des Offiziersviertels ist noch zu beweisen. Wir werden Akteneinsicht verlangen, die Vorgänge aufarbeiten und dokumentieren. Geschichte hat einen langen Atem und die UNESCO-Welterbestadt Goslar hat hier weiterhin eine große Verantwortung.
Höchstwahrscheinlich wird später bewusst, welche historischen und welche gesellschaftlichen Werte hier aufgegeben wurden.

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